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Nachricht aus Whitechapel

Nachricht aus Whitechapel – A Letter from Hell


Das Tagebuch der Mary Kelly



Montag, 27.08.1888
Es ist kalt hier, der Herbst wird kommen. Ich friere so erbärmlich, bald wird es dunkel und neblig sein auf unseren Straßen. Der Herbst hier ist so verdammt kalt. Und kaum Kunden auf der Straße. Der undurchsichtige Nebel vergrault sie in ihre warmen Häuser, in denen Kamine brennen und warme Suppen auf den Tischen steht. All die reichen Säcke, die sonst nichts gegen uns leichte Mädchen einzuwenden haben, verkriechen sich.

Hier findet man nur den Tod. Nicht mehr und nicht weniger.
Nur Tod.
Keine guten Kunden heute, zu wenig Geld, wenige Pens, das reicht für diese Nacht mit einem Dach über dem Kopf. Doch kein Essen.
Ich habe Hunger.
Auch Liz hat nichts mitgebracht, sie hatte kein Glück.
Auf Londons Straßen gibt es keine Huren, nur unendlich viele Mädchen, die kein Glück gehabt haben. So sagt es jedenfalls die Regierung. Nicht umsonst nennt man uns die „Unglücklichen“
Nobel von ihnen, uns Problemkinder auszusperren.
Ich muss gehen, anschaffen.

Donnerstag, 30.08.1888
Heute hatte ich mehr Glück, ein piekfeiner Kerl, hat ganz gut was geboten, hat mich zum Trinken eingeladen. Ich habe abgelehnt, zu viele sind schon dem Alkohol verfallen, ich möchte nicht zu ihnen gehören.
Es reicht, wenn ich mir Sorgen darüber machen muss, wo ich schlafe, oder wo ich was zu Essen herbekommen soll, das ist schon schlimm genug.
Es regnet in Strömen, keine guten Bedingungen, um Kunden zu bekommen.

Freitag, 31.08.1888
Jemand ist umgebracht worden. Eine Hure eine von uns. So was kommt oft vor, hier in dieser Gegend, in dieser Branche. Es gibt genug Leute, die uns nicht mögen. Ich kann sie verstehen, mag ich mich doch selbst nicht. Früher war alles anders. Da lebte ich noch in dem kleinen Dorf hoch oben an der See. Damals dachte ich, dass kleine Dorf wäre zu klein, doch nun weiß ich, ich hätte da bleiben sollen. Hier gibt es nichts für mich, nur Leid.
Wieder keine guten Kunden gehabt, habe nur noch zwei Pens, das reicht nur noch für eine Nacht und etwas Frühstück.

Donnerstag, 20.09.1888
Die letzten Wochen waren hart. Es wird kalt, so unglaublich kalt. Der Regen hört nicht mehr auf, die Straßen sind leer. Ich habe Hunger und kein Geld. Keine einzige Münze. Der Wind ist eisig, die Stufen, auf denen ich liege hart. Ich bin froh in diesem Hauseingang Schutz vor dem Regen zu finden. Ich weiß nicht wohin.
Es gab wieder einen neuen Mord, wieder eine Hure.
Ich habe Angst, die Leute munkeln, das es ein Chirurg sei, der uns jagt. Oder ein Jude. Ich habe solche Angst, wenn die Straßen nicht mehr sicher sind.
Aber wo soll ich sonst hin? Ich muss doch auf die Straßen und nach Kunden suchen. Ich muss.
Ein Mörder ist da draußen und er bringt Mädchen wie mich um. Obwohl, die Polizei glaubt, es wären Einzelfälle, unabhängig voneinander.
Ich glaube das nicht.

Sonntag, 30.09.1888
Es ist wieder ein Mord geschehen, erst heute. Nun kann die Polizei es nicht mehr leugnen, er hat sein Zeichen hinterlassen. Ich habe Angst, bin misstrauisch den Leuten gegenüber. Sie sagen, der Mörder wäre ein Fleischer, oder ein Arzt. Sie wissen es nicht. Die Polizei tappt im Dunkeln.
Die Toten, es waren wie immer Huren. Liz! Liz ist tot. Sie wurde zu seinem Opfer. Ich habe so Angst. Er wird weiter töten, ich weiß es.
Niemand von uns ist sicher, die Polizei macht nichts, vermutlich ist sie selbst froh, dass wir von den Straßen verschwinden.
Ich habe Angst.

Freitag, 02.11.1888
Ich habe Angst, die Leute auf der Straße beobachten mich, ich weiß es. Er beobachtete mich, er verfolgt mich. Weiß nicht, was ich machen soll. Gott beschütze mich. Ich will nicht sterben. Es ist so kalt, so verdammt kalt.
Niemand ist mehr da, alle sind weg.
Viele flüchteten aus diesem Viertel, es ist das Mörderviertel, wenig Leute auf den Straßen.
Sie verfolgen mich.

Sonntag, 04.11.1888
Es ist kalt, die Straßen sind gefroren, es fahren kaum noch Kutschen, die Häuser sind zu. Nirgends findet man mehr etwas. Ich friere.
Kein Geld, so großer Hunger. Meine Finger sind klamm.
Keine Kunden, es ist zu kalt, sie kommen nicht, bleiben lieber Daheim. Leute auf der Straße sehen verdächtig aus, so verdächtig.
So viele sind krank, Husten und keine Medizin. Sie werden sterben, jeden Winter sterben welche von uns Unglücklichen. Das Fieber ist hoch und es gibt keine Medizin. Die Ärzte helfen nicht, niemand hilft uns.
Ich habe Angst vor dem Tod.

Dienstag, 06.11.1888
Es ist so kalt, die Leute sind kalt, so traurig. Ich habe Angst, es ist ruhig, so ruhig. Keine Gewalt, keine Morde, keine neuen Opfer. Das ist ein Zeichen, die Zeitungen sind leer, die Morde vergessen, die Polizei geht nicht mehr auf Streife. Er wird wieder kommen. Ich weiß es.
Er wird sich eine von uns holen. Ich habe Angst, was, wenn er mich holt?
Ich will nicht sterben, ich will nicht.
Ich glaub ich bin sein nächstes Opfer, ich sah ihn in meinem Traum, er trug schwarze Sachen, einen Hut und hatte ein sehr langes Messer in der Hand. Ich will nicht sterben.
Überall, wo ich hinschaue sehe ich finstere Gestalten, die Straßen sind grau und nass. Es regnet immer, es ist kalt.
Ich habe Hunger, aber traue mich nicht raus.
Er wird mich sonst holen. Er wird uns alle holen, ich habe Angst.
Er schickte Briefe aus der Hölle.
Er wird kommen, ich weiß es.


Freitag, 09.11.1888
Es ist so ruhig, der Regen hat aufgehört.
Ich habe eine Gänsehaut auf den Armen. Etwas wird passieren, ich spüre es ganz deutlich. Das alte Haus knackt, die Fenster klirren. Eines ist zerbrochen, der kalte Wind weht herein.
Ich habe Angst.
Da poltert was.


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Ein erstickter Schrei hallte durch das alte Haus. Dann war alles ruhig. Blut spritzte, besudelte alles. Die Wände, die Decke, das Bett. Die dicke, rote Flüssigkeit sammelte sich auf den Seiten des Tagebuches und verschmierte Teile der Einträge. Ein metallischer Geruch erfüllte die Luft.

In dieser Nacht geschah einer der grausamsten Morde in der Geschichte der Menschheit.
Man fand die Leiche von Mary Kelly am Freitag den 9. November 1888 gegen elf Uhr morgens liegend auf ihrem Bett. Wie bei allen Morden wurde ihre Kehle durchgeschnitten. Doch ihr Mord sollte sein grausamster werden.
Die Menschliche Gestalt, bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, in einer verkrümmten Haltung.
Ihr Herz wurde ihr entfernt, ihr Blut verteilt im ganzen Zimmer, genau wie ihre Eingeweide.
Ihr Gesicht und ihr Körper waren brutal zugerichtet, nur mit Mühe konnte sie identifiziert werden.
Mary Kelly war angeblich das letzte Opfer von Jack the Ripper.


“Turn round three times, and catch whom you may.”

"Meine Taten werden das 20.
Jahrhundert einleiten."
 
 
   
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