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Eine nächtliche Geschichte

Eine nächtliche Geschichte

 

Regen trommelt unaufhörlich gegen Fenster und Dächer. Wind lässt die Blätter der großen Kastanien und Birken in der Umgebung rauschen. Die Straßen sind dunkel. Nur selten erhellt das Licht zweier Autoscheinwerfer diese Nacht.

Es ist eine seltsame Nacht. Niemand weiß warum, aber alle fühlen es. Es ist reiner Instinkt.

Die Menschen bleiben in ihren Behausungen, obwohl Sommer ist. Selbst streunende Hunde und Katzen haben sich einen sicheren Unterschlupf gesucht. Wie die Ratten, die sich in die Untergründe geflüchtet haben.

Nur eine einsame Gestalt wandelt bei diesem stürmischen Wetter draußen herum. Ein Mädchen oder eine Frau – nicht zu sagen. Sie geht schnell, muss bald im elterlichen Hause sein, um dem Ärger einer Verspätung zu entgehen.

Doch sie will nicht. Es ist nicht ihr zu Hause. Zu Hause ist, wo man sich wohl fühlt. Doch dort fühlt sie sich nicht wohl. Viel lieber würde sie hier draußen bleiben. Dem wilden Treiben der Elemente zusehen, ihren Geist hinfort tragen lassen und dieser scheußlichen Welt entfliehen.

Sie bleibt stehen. Sieht in das Dunkel des Himmels hinauf. Diese Finsternis zieht sie an. Wie gerne wäre sie ein Stern.

Der Wind spielt mit ihren Haaren. Weht durch sie hindurch und lässt sie erscheinen wie die leibhaftige Medusa.

Ihr Gesicht mit der weißen Haut steht in hartem Kontrast zu der Nacht um sie herum. Ein Mädchen in der Blüte ihrer Jahre. Vielleicht anderthalb Jahrzehnte auf dieser Welt.

Ihre schwarzen Augen blicken hart um sich. War da etwas?

 

„Du! Wie alt willst du sein?“, erklang eine Stimme aus der Dunkelheit.

„Es ist unhöflich, jemanden anzusprechen, ohne sich vorzustellen und gar zu zeigen.“, erwiderte sie ruhig.

Eine alte Frau trat in das schummrige Licht, das ein Fenster spendete.

„Wer ich bin, das wirst du bald wissen. Aber sage mir, willst du gehen?“

„Wille ist unbedeutend.“

„So, ist er das? Du weißt, was du willst. Ja, ich weiß es auch. Warum tust du es also nicht?“

„Nennt mir einen Grund, weshalb ich mit ihnen sprechen sollte.“

„Du tust es bereits.“, antwortete die Alte.

„Sie sprechen in Rätseln, alte Frau.“

„Das ist möglich. Tust du es?“

„Das geht sie nichts an. Woher wollt ihr wissen, wie ich zu sprechen pflege?“

„Glaube mir, Kind, ich weiß es. Ich kenne dich gut.“

„Wer sind sie?“

„Das wirst du früh genug erfahren.“

„Was wollen sie?“, Ungeduld war der Stimme des Mädchens zu entnehmen.

„Sie her“, die Alte zog ein Messer heraus und hielt es an ihr linkes Handgelenk. „Du wirst es wissen.“, mit diesem Satz schnitt sie sich die Pulsader auf. Blut floss und tropfte auf den nassen, kalten Stein, auf dem die seltsame Frau stand.

Ihre schwarzen Augen wurden härter: „Falsches Weinen wird den Wind übertönen. Viele Menschen werden an deinem Grabe stehen. Doch nach dem Grund wird niemand fragen. Du bist nur eine der Wenigen.

Mein Leben war ein trauriges Existieren. Du weißt das, Kind. Manchmal ist fliehen weise.“

Ein Blinzeln. Die Alte war verschwunden.

 

Nein, sie war nicht verwirrt. Nun wusste sie alles. Sie blickte noch einmal in den Himmel, lächelte, und machte sich auf den Weg nach Hause.

Ihre Mutter stand, das Gesicht gezeichnet von einer tiefen Zornesfalte, bereits wutschnaubend in der Tür.

„Wo hast du dich wieder herumgetrieben, Tochter?“

"Mutter, hast du denn Mond heute Nacht gesehen? Er war blutig."

 
 
   
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