Im Dunkel
Maximilia.
Maximilia, Maxi genannt, hat sich vor zwei Wochen umgebracht.
Freitod wird so etwas genannt. „Frei“ und „Tod“. Lüge und Wahrheit, denn die Freiheit ist schon immer tot. „Frei“ und „Tod“ – Lüge und Wahrheit.
Es gab ein großes Begräbnis. Bloße Tradition, aufgezogen zu einem riesigen Schauspiel. So viele Tränen, die gar nicht wissen, warum sie fließen. Eine Beerdigung mit von salzigem Körperwasser getränkten Beileidsbekundungen und einer noch triefenderen Grabesrede von einem Pfarrer, der das arme Opfer gar nicht kannte.
Keiner konnte es glauben – das behaupteten sie jedenfalls.
So ein unschuldiges, lebensfrohes Kind – das dachten sie jedenfalls.
Sie glauben, was sie behaupten, sie denken, was sie wollen. Nur das, was sie sehen wollen, ist für sie wahr.
Selenas Zimmer wurde zwei Tage nach ihrem Tod aufgeräumt.
Ihr Tagebuch wurde unter dem Bett gefunden.
Unbeachtet – niemand hat hinein gesehen.
Schließlich landete es zusammen mit den vielen anderen Dingen in einem blauen Sack, der in einer schwarzen Mülltonne endete.
So liegt alles im Dunkel.